Seit nunmehr fast schon einem Jahr unterstütze ich das Projekt "Schreibstaffel" an der Europäischen Wirtschaftsakademie (EWS) Dresden. Von der Suche nach Praktikumsmöglichkeiten, über die Diskussion aktueller politischer Fragen bis hin zur Vorstellung eines eigenen Buches durfte ich eine Gruppe funktionaler Analphabeten begleiten. Das Resultat, ein Buchband zu diversen Exkursionen in und um Dresden namens "Guggemada", ist nicht nur ein großer Erfolg für die Seminargruppe, sondern gleichzeitig ganz allgemein ein Paradebeispiel für Willen, Fleiß und die Bereitschaft, Dinge im eigenen Leben verändern zu wollen.
Dass Menschen, denen der Umgang mit der Schriftsprache schwer fällt, keinen leichten Alltag haben, dürfte auf der Hand liegen. Aber genau das ist der Grund, weshalb ich mich gern für die Mitglieder der "Schreibstaffel" engagiere: Jeder Einzelne von ihnen hat sein Schicksal selbst in die Hand genommen und aktiv etwas dafür getan, um seine Lebenssituation zu verbessern. Bestandteil des über die Koordinierungsstelle "Alphabetisierung im Freistaat Sachsen" organisierten Seminars ist zum Beispiel auch ein Praktikum in einem Betrieb, damit die Teilnehmer wieder Fuß im Arbeitsleben fassen. Ich half dabei mit, diese Praktikumsplätze zu akquirieren. Wichtig war bei der Suche natürlich auch, dass die persönlichen Wünsche und beruflichen Vorstellungen der "Schreibstaffel"-Mitglieder berücksichtigt wurden. Gemeinsam gelang es uns schließlich, in den verschiedensten Berufsfeldern für jeden Seminarteilnehmer eine geeignete Praxismöglichkeit zu finden.
Welche Eindrücke und Erfahrungen die Gruppe dort gemacht hat, wurde mir dann im April dieses Jahres bei unserem Treffen berichtet. Dabei kamen wir auch über politische Themen, wie das Bildungs- und Teilhabepaket, die Lese- und Schreibförderung im Freistaat Sachsen und die verschiedenen Förderprogramme an sächsischen Schulen für benachteiligte Kinder und Jugendliche ins Gespräch. Den krönenden Abschluss fand das Projekt dann bei der bereits erwähnten Lesung und Buchvorstellung am 23. September, zu der auch Thomas Wünsche, Chef der Dresdner Agentur für Arbeit, gekommen war. Der Mut der "Schreibstaffel"-Mitglieder, vor einem Publikum zu lesen und dabei sowohl Schwächen als auch Fortschritte offen zu zeigen, verdient großen Respekt! Für den einen oder anderen Teilnehmer hat sich diese Maßnahme bereits jetzt schon ausgezahlt - die Praktikumsbetriebe signalisierten ihrerseits Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit bzw. an weiterführenden Ausbildungsmöglichkeiten.
Es sind genau diese kleinen Erfolge - auch für mich persönlich - für die es sich lohnt, jeden Tag hartnäckig an einer Sache dran zu bleiben. Dafür ist die "Schreibstaffel" ein sehr gutes Beispiel. Das "Guggemada"-Exemplar, welches ich geschenkt bekommen habe, hat deshalb Symbolcharakter und einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal.